Zuallererst musste ich das Wort „Outing“ nachschlagen, da es mir irgendwie nicht gefiel. Warum wusste ich nicht hundertprozentig. Es klang für mich negativ, gezwungen und keine guten Gefühle stiegen in mir auf. „Outing“ war auch so gut wie nicht in meinem Wortschatz vorhanden. Beim Recherchieren wusste ich auch gleich warum. Zum Beispiel las ich Dinge wie “jemanden einer Sache bezichtigen, die bis dahin geheim war“, „bloßgestellt werden“, „durch gewisse Vorgehensweisen zu einer Aussage gezwungen werden“ und noch vieles mehr. Diese Satzteile passen aber definitiv nicht zu meinem Leben, da ich ganz offen mit so ziemlich allem umgehe.

Wie alles begann und bis heute einen gleichmäßigen Übergang fand
Meine Eltern wollten uns Kindern von Anfang an die Wahl lassen und tauften uns nicht. Mein Vater war ebenfalls nicht getauft worden und meine Mutter damals zwangsläufig evangelisch. Doch die beiden waren sich einig, dass ihre Kinder die Religion selbst aussuchen sollten, wenn es soweit ist. Als Säuglinge konnten wir verständlicherweise die Bedeutung dahinter nicht verstehen und sie wollten nichts tun, was wir oder sie später bereuen könnten. Wir sollten verstehen und unseren Weg dann entscheiden. Denn was einmal getan, kann nicht rückgängig gemacht werden. Bis heute bin ich nicht getauft und verdammt glücklich mit der Entscheidung meiner Eltern.
Die erste Berührung mit dem Thema Religion hatte ich in der Grundschule. Es blieb bei einer Berührung, denn gänzlich erfasst hatte mich das Ganze nicht. Ich fühlte mich damit nicht so, als würde ich mit dem Weg irgendwann weiter und schlussendlich ankommen. Ganz anders aber, wenn es um das Thema Natur ging. Da spürte und spüre ich noch heute Ausgeglichenheit, Verbundenheit, das natürliche Sein. Der Garten auf dem Grundstück meiner Oma war deshalb mein Lieblingsort. Säen, pflegen, beobachten, staunen, ernten, genießen. Alles ist ein Geben und Nehmen. Ausgleich. Und der nahe gelegene Strand (300 m vom Grundstück entfernt) bekam auch immer einen Besuch abgestattet. Es war einfach erdend. Alle Elemente umgaben mich an diesem Ort. Mitgefühl und Respekt für das Leben baute sich auf und ich merkte nach und nach, wie viel ich emotional wahrnahm. Rückblickend kann ich sagen, dass es mir in meiner Kindheit nicht an Freiheit und Entdeckungsreisen mangelte. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine Schulkameraden waren zwar etwas verdutzt über meine Sichtweise, aber gehänselt wurde ich deswegen nie. Sie waren, mal abgesehen von meinen Eltern, wichtige Menschen, die mich durch ihre Toleranz ermutigten, so sein zu dürfen, wie ich bin. Natürlich gab es auch Querschläger. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, auch wenn sich das teilweise hier so liest. Jeder wächst anders auf und erlebt die Welt aus anderen Blickwinkeln. Wo Licht ist, ist der Schatten nicht weit. Mit Güte, Vertrauen und Mitgefühl kann man aber, egal wann und wo, viel bewirken.

Später nun dem Lesen mächtig, vergrub ich mich in meiner zweiten Leidenschaft, dem Lesen. Ich las alles, was mir in die Finger kam, u. a. auch esoterische Lektüre. Mein Blick erweiterte sich und ich entwickelte mich. Durch Gleichgesinnte baute ich Wissen und Erfahrungen aus. Mit dem Älterwerden und den dadurch entstehenden Verpflichtungen (Schulabschluss/Ausbildung/Arbeit) kam ich trotzdem immer mal wieder von diesem Weg ab und verrannte mich. Ich bin aber der Meinung, dass man früher oder später auf seinen Weg zurückgeführt wird. Auf die sanfte oder auf die harte Tour.

Nach abgeschlossener Ausbildung, einem festen Job und der langsam wieder einkehrenden Beständigkeit, fand ich Melissa. Nun begann die zweite und erfüllende Ausbildung, in der ich weitere tolle Menschen kennen lernen und Erfahrungen sammeln durfte. Ich bin immer noch an diesem Punkt des Lernens und das wird sich wohl auch nie ändern, aber das ist das, was Spaß macht. Das Leben hat so viel zu bieten. Weiterhin interessiere ich mich für vielerlei Dinge, Religionen, Praktiken und Ansichtsweisen. Mitunter ein Grund, weshalb ich das letzte Mal nicht die Klingel der Haustür ignorierte, als die Zeugen Jehovas dahinter standen. Als ich die Tür öffnete, wurde ich gleich mit einer Frage begrüßt: ,,Sind wir Gott unwichtig?“ Ich musste schmunzeln und erklärte gleich danach, dass sie meine Reaktion bitte nicht falsch verstehen sollen. Der Glaube sei frei und ich akzeptiere deren Glauben auch, doch an dieser Stelle kämen wir nicht zusammen. Auch trotz genauer Erklärungen nicht. Deren Ansicht kann und möchte ich nicht teilen. Es gibt für mich nicht den einen Gott. Für mich ist die Natur mein Gott und meine Göttin zugleich. Wir, jeder einzelne von uns, ist manifestierte Energie, ein Teil der Natur / des großen Ganzen und seines Glückes Schmied. Das Glück sollte man nicht von jemand anderen abhängig machen. Das Gespräch verlief trotzdem sehr gelassen, auch ich konnte meinen Glauben und meine Sichtweise erklären und doch waren die beiden älteren Damen etwas eingeschüchtert, ja etwas verunsichert. Das nahm ich aber nicht krumm. Wichtig ist die Akzeptanz bei dem Ganzen, denn ich bin der Meinung, dass wir alle verbunden sind. Auch für mich gibt es Dinge, die mich verwundern und aus der Bahn werfen. Dann wünscht man sich einfach etwas Geduld vom gegenüber. Zum Ende des Gespräches drückte man mir noch einen Flyer in die Hand, für den Fall, dass ich meine Meinung ändere. Etwas ignorant, aber egal. Ich nahm es so hin.
Wie man vielleicht aus meinen Texten herauslesen kann, mache ich mir wenig bis keine Gedanken darüber, in was für einem Licht man mich sieht. Ich bin einfach ich und dafür stehe ich ein. Jeder in meinem Umfeld weiß um meinen Lebensweg. Herausposaunt habe ich das nicht, aber wenn man das ein oder andere Schmuckstück trägt oder für andere ungewohnte Kommentare abgibt, tauchen Fragen auf, die ich gerne beantworte. Ich bin gelernte Immobilienkauffrau und arbeite hauptsächlich in diesem Beruf. Zusätzlich wollte ich nebenberuflich etwas mit Tieren machen und wurde Tierbetreuerin und Hundefriseurin. Meine Kollegen, Chefs, Nachbarn, Freunde, Verwandten, Eltern, Geschwister, wissen alle Bescheid und es hat unserer zwischenmenschlichen Beziehung keinen Abbruch getan. Bis heute hat es sich sogar schon in dem Maße weiterentwickelt, dass ich Freunden die Jahreskreisfeste nahe bringe. Zwar noch etwas dürftig organisiert, aber das wird immer besser.

Zum Abschluss nun ein Tipp von mir:
Schäme dich nicht für deinen Lebensweg, sondern trete für dich ein. Lass dich nicht verunsichern und gehe mit Bestimmtheit weiter. Denke positiv, habe Geduld, übe dich in Mitgefühl, Güte und bewerte nur so wenig wie nötig, denn das eigentliche Sehen geschieht mit dem Herzen. Du schaffst das! 😊

Liebe Lyra,
es freut mich wirklich sehr, dass ich dir mit meinem Bericht ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte! 🙂
Ganz liebe Grüße
Deine Aki
Liebe Aki,
was für ein positive, motivierende und mutmachende Geschichte! Untermalt mit stimmungsvollen Fotos…dein Artikel hat mich zum Lächeln gebracht. Danke. 🙂
Deine Lyra