Aus dem Besenschrank kommen – Outing als Hexe: Melissa

Ich bin nun schon seit vielen Jahren eine geoutete Hexe. Jeder, der meinen Namen googelt, findet auch relativ schnell die Lumnettahexen. Meine Familie und meine Freunde wissen alle Bescheid. Und trotzdem habe ich im Alltag manchmal erneut ein kleines Outing:

Seit fast zwei Jahren habe ich sehr häufig Kontakt zu einer syrischen Familie. Anfangs ging es vor allem um die Hausaufgaben der Kinder und darum, dass die Eltern Deutsch sprechen üben. Daraus hat sich eine sehr enge Freundschaft entwickelt, in der wir uns viel austauschen. Vor allem am gemeinsamen Kochen mit der Mutter Sakina habe ich viel Freude. Eines aber habe ich nie so offen sagen können: dass ich eine Hexe bin.
Relativ am Anfang hatte ich dort mal berichtet, dass wir mit meinem Sohn Tristan wegen starker Neurodermitis bei einer Heilpraktikerin waren. Ich habe genau erklärt, was sie dort gemacht hat und Sakina meinte, dass das nach einer Hexe klingt und Hexen seien in ihrem Glauben „haram“, also verboten. Da blieb mir dann auch nicht mehr viel anderes übrig, als die Klappe zu halten.

Bei einem unserer wöchentlichen Treffen vor einiger Zeit haben wir wieder gekocht. Sakina hat in der Küche etwas zusammen gemixt, weil Nada (ihre ältere Tochter) Schmerzen im Arm hatte. Mein Mann Maik sagte direkt, dass Sakina dann wohl auch eine Hexe sei. „Genau wie Jenny“, fügte er noch hinzu.
Und dann stürmten die Fragen auf mich ein und sie wollten genauer wissen, was Maik meint. Ich habe alles so erklärt, wie ich es sehe und glaube und lebe. Und alles war in Ordnung. Während meiner Erzählungen ist Nada zweimal angsterfüllt aufgesprungen, aber alle haben darüber gelacht.
Ich finde es schön, dass ich weiterhin akzeptiert werde, obwohl ich „haram“ bin.

Wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie das auch zu Beginn unserer Freundschaft so gesehen hätten.

 

Melissa
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