Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der neutralen Information und allgemeinen Weiterbildung. Sie stellen keine Empfehlung oder Bewerbung der beschriebenen oder erwähnten diagnostischen Methoden, Behandlungen oder Arzneimittel dar. Der Text erhebt weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch kann die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Information garantiert werden. Der Text ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung durch einen Arzt oder Apotheker und er darf nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Konsultieren Sie bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer den Arzt Ihres Vertrauens!
Sekundäre Amenorrhoe= ausbleibende Menstruation über mindestens drei Monate bei bisher völlig regelmäßigem Zyklus.
Ich liege im Bett und versuche, einzuschlafen. Doch meine Gedanken sind mal wieder bei diesem Thema hängen geblieben, um das sie oft kreisen und für das ich keine Erklärung finde. Ich lege meine Hände in einem nach unten zulaufenden Dreieck unter meinen Bauchnabel, dorthin, wo sich angeblich meine Gebärmutter befindet. Ich klopfe mit einem Finger gegen meine Bauchdecke und schicke meine Gedanken zu diesem mysteriösen Organ.
“Hallo? Hörst Du mich? Ich weiß, dass Du da drin bist.“
Keine Reaktion. Wie immer.
“Wieso schläfst Du denn die ganze Zeit? Hast Du einfach keine Lust, für mich zu arbeiten? Oder bist Du krank? Wieso spüre ich Dich nicht?
Ich habe Dich schon mehrmals auf Ultraschallbildern gesehen. Die Ärzte sagen, organisch sei alles in Ordnung mit Dir. Du seist nur ziemlich klein und hättest eine dünne Wand. Absolut kein Schleimhautaufbau. Aber sonst sei alles so, wie es sich für eine Gebärmutter gehört.
Wenn du krank wärst, müsste mir doch etwas wehtun. Tut es aber nicht. “Haben Sie Veränderungen an sich bemerkt, wie vermehrte Körperbehaarung, eine tiefere Stimme oder Libido- Verlust?“, wurde ich bei Untersuchungen gefragt. Habe ich zum Glück nicht. Alles andere in meinem Körper funktioniert nämlich, außer Dir, Gebärmutter.
Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich eine junge Frau. Und trotzdem fehlt mir etwas, das für andere junge Frauen Normalität ist. Oft ist sie unangenehm, peinlich und schmerzhaft und sie verfluchen sie. Trotzdem würde ich diese Normalität so gerne mit ihnen teilen. Ich fühle mich unvollständig und ausgeschlossen, wenn ich andere Frauen über ihre Periode sprechen höre. Denn meine hörte vor vier Jahren plötzlich auf.
Gebärmutter, hörst du mir überhaupt zu? Ich hätte so gerne ein Zeichen von Dir, einen Hinweis, warum das so ist? Habe ich etwas falsch gemacht? Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, damit Du wieder blutest?
Erinnerst Du dich daran, wie ich mit vierzehn Jahren zum ersten Mal meine Tage bekam? Damals war ich so stolz auf Dich, denn ich war die letzte in meiner Mädchen-Clique und hatte es kaum erwarten können, endlich “eine Frau zu werden“.
In den folgenden fünf Jahren kam Deine Blutung regelmäßig, sie war weder zu lang noch zu kurz, bereitete mir keine Bauchkrämpfe, keine Rückenschmerzen, keine Stimmungsschwankungen, keine Pickel-Ausbrüche und keine Ess-Anfälle, ich konnte problemlos Sport machen und sogar schwimmen gehen. Damals hast Du super funktioniert! Manche Freundinnen, die unter den genannten Symptomen litten, beneideten mich um Dich.
Als ich Gründe hatte, über Verhütung nachzudenken, ließ ich mir die Pille verschreiben. Und auch damit ging mein Zyklus genauso unkompliziert weiter.
Hey, Gebärmutter, ich habe mich damals nie bei Dir bedankt, für das, was Du geleistet hast, weil ich es als Selbstverständlichkeit hinnahm. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Du schon bald komisch werden würdest.
Als ich neunzehn Jahre alt war, begann ich, mich für einen gesunden, naturnahen Lebensstil zu interessieren. Ich wollte nicht länger mit der Pille verhüten, die künstlich in meinen Hormonhaushalt eingriff. Also kaufte ich Kondome und setzte sie ab. Du reagiertest sofort mit einer Blutung – und begabst Dich danach in Deinen Dornröschenschlaf. Ich machte mir zunächst keine Sorgen, da ich gelesen hatte, dass es bis zu einem Jahr dauern könnte, bis sich der Zyklus normalisieren würde. Nachdem ich also über zwölf Monate gewartet hatte, ging ich zu einer Gynäkologin, die einen starken Östrogenmangel bei mir feststellte. Um dazu eine Ursache und eine Lösung zu finden, folgten Untersuchungen bei mehreren Ärzten unterschiedlicher Fachgebiete sowie bei einer Heilpraktikerin. Verschiedene Diagnostikmethoden wurden angewandt und Medikamente ausprobiert – ein Spektrum von künstlichen Hormonen bis hin zu Globuli. Meine Suche dauert noch an. Bisher konnte niemand den Grund für meine sekundäre Amenorrhoe finden.
Die Hormonpillen zwangen Dich zwar dazu, zu bluten, aber ich litt dabei unter sämtlichen Symptomen, die ich vorher nie hatte. Ich hielt es nicht länger als vier Monate damit aus. Außerdem wünsche ich mir nach wie vor, Deine Blutung auf natürliche Weise anzuregen.
Ein Gutes hat die Sache vielleicht, ich habe in den vier Jahren kapiert, dass der weibliche Zyklus ein unheimlich komplexes System ist. Also echt, Respekt an alle Körper, die das hinkriegen!
Dass du es weißt, Gebärmutter, ich gebe noch nicht auf! Ich werde weiterhin jeden Abend Frauentee trinken und Ovaria-Globuli einnehmen. Im Februar steht ein Termin beim Endokrinologen an und in der Zwischenzeit werde ich Geo-Alchemie ausprobieren. In Vorbereitung auf die erste Sitzung habe ich mir dazu Gedanken gemacht, was sich, seit Du schläfst, an mir geändert hat. Ich finde, dass ich weniger spontan bin. So, als wollte ich den fehlenden natürlichen Rhythmus durch meine konstruierte Routine ausgleichen. Ich bin auch ernster und weniger kreativ. So, als sei eine innere Inspirationsquelle versiegt. Ich fühle mich halb. Wie eine halbe Frau, ein halbes Ich. Hoffentlich hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du das erfährst, Gebärmutter!
Ich habe noch eine wichtige Frage zum Schluss: Werde ich jemals ein Kind in Dir tragen können? Denk doch mal drüber nach, wie schön das wäre! Gebärmutter? Hallo?
Oh okay… dann gute Nacht.“