Kraftorte: Das Elbsandsteingebirge

Dem Himmel ganz nah und doch fest dem Boden verhaftet – das Elbsandsteingebirge ist ein Ort, an dem sich die Elemente Erde und Luft auf schönste Weise vereinen. Schon der Maler Caspar David Friedrich wusste die bizarren Felsformationen und die schwindelerregenden Ausblicke von steilen Klippen zu schätzen, wie er sie etwa in seinem Bild „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ festgehalten hat.

Mit dem Zug geht es erst bis nach Dresden, danach noch eine knappe dreiviertel Stunde mit der S-Bahn weiter in Richtung Osten. Schon kurz hinter der sächsischen Landeshauptstadt staunen wir über die steilen Felswände, die sich plötzlich links und rechts von uns auftun und an deren Spitze schmale Häuser mit Aufzügen kleben. In der Ortschaft Rathen steigen wir aus und erfreuen uns gleich am Anblick einer schönen Felsformation. Vor uns klafft breit und träge die Elbe; es gibt keine Brücke, wir müssen mit der Fähre der Ortschaft fahren, die uns gegen einen kleinen Obulus und nach kurzer Wartezeit, in der sich mehrere Passanten, die ebenfalls übersetzen wollen, auf dem alten Kahn sammeln, sicher auf die andere Flussseite befördert.

Aufstieg

Wir streifen kurz durch das Dörflein, dessen Häuser eng und verschlungen an den Fuß der Berge in ihrem Rücken gebaut sind, und beginnen bald darauf den Aufstieg, der als steil ansteigender Pflasterweg irgendwo zwischen zwei Wirtshäusern beginnt und sich nach einigen Minuten als ein von Buchenlaub bedeckter Waldpfad fortsetzt. Weh‘ dem, der kein Profil am Stiefel hat! Ich sollte noch an mehreren Stellen unseres Weges merken, dass man hier wirklich gut zu Fuß sein muss, um die Tour gefahrlos und gut bewältigen zu können, denn neben einer

gewissen körperlichen Fitness sollte man auch keinerlei Schwierigkeiten mit dem Laufen haben, denn Stolperfallen oder riskante Stellen (an denen es meistens tief, manchmal auch sehr tief nach unten geht), gibt es einige.

Gefühlt endlos lange Serpentinenwege waten wir auf dem charakteristisch roten Buchenlaub nach oben. Weiter und weiter hinauf, schließlich wollen wir auch hoch hinaus.

Nach etwa 20 Minuten erhaschen wir an einer Biegung den ersten Vorgeschmack auf das, was uns an Felsformationen noch erwarten sollte. Ich komme nicht nach damit, mit dem Handy verwackelte Fotos zu schießen, weil mich der Anblick so gefangen nimmt.

Burgruine Neurathen

Eine der Sehenswürdigkeiten auf dem Weg entlang unserer Wanderroute bildet die Ruine der Felsenburg Neurathen. Zwischen den hügeligen Felsenköpfen, die die Ruinen umgeben, sind schlanke Brücken und Stege aus Metall gebaut worden, auf denen man sich flinkfüßig bewegen kann.

Höhenangst darf man bei der Erkundung der Neurathener Ruine aber keine verspüren, denn stellenweise blickt man zwischen den Metallstufen und –gittern in sehr tiefe Gefälle.

Da kann man schon mal weiche Knie und Herzklopfen bekommen, also besser schnell weiterlaufen und den herrlichen Ausblick genießen.

Basteibrücke

Dann sind wir plötzlich da, bei DEM Touristenmotiv schlechthin: der Basteibrücke.

Es ist schwer zu begreifen, wie so etwas Großartiges in dieser schwer zugänglichen Lage von Menschenhand entstanden ist, noch dazu in einer Zeit, in der man den technischen Komfort der Moderne noch nicht einmal erahnen konnte.

Ich würde am liebsten die sich mir darbietenden Sandsteinformationen

berühren, sie im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen, ich bin ehrfürchtig, natürlich vor der Natur, aber auch ein wenig vor den mutigen Visionären, Steinschleppern und Steinhauern, die diesen wunderbaren Wahnsinn möglich gemacht haben.

So, wie es zu Beginn unserer Tour kontinuierlich bergauf ging, geht es jetzt gleichermaßen bergab – und zwar ausschließlich bergab. „Über Stock und über Steine…“ denke ich bei mir und verdränge den Gedanken an die darauf folgende Textzeile des Kinderreims mit den gebrochenen Beinen gleich wieder.

Was erst klare, frische Bergluft war, ist jetzt zu feuchten Nebelschwaden geworden, die einen sanft umspielen, sich in Barthaaren als kleine Tröpfchen sammeln und die störrische Naturwellen zum Kräuseln bringen. Hohe Felsschluchten türmen sich jetzt links und rechts von uns auf, deren Wände zentimeterdick bewachsen sind mit Moosen, Algen, kleinen Farnen, Miniaturfichten; in den Felsritzen stecken altes Laub, Baumnadeln und der düstere Hauch des nahenden Abends.

Schwedenlöcher

Es tropft von Felsvorsprüngen und Ästen. Lange Flechten hängen von den Buchen, das ploppende Geräusch fallender Wassertropfen hallt zwischen den Sandsteinblöcken wider. 

Es geht immer tiefer hinein in die steinige Schlucht.

Ich fühle mich wie in einem dunklen, europäischen Fels-Urwald, sehe mich schon in einem Märchenbuch als die Protagonistin, die versehentlich vom Weg abkommen und sich in einer magischen Parallelwelt verlaufen wird. Wenn irgendwo Naturgeister leben, dann hier, wo sie sich verstecken in den dunklen Geröllhöhlen, in Steinspalten und zwischen Wurzelbögen.

Es geht in den Fels gehauene Treppenstufen hinab, gelegentlich dient uns ein schräg angebrachter Baumstamm als Geländer, meistens müssen wir jedoch auf unseren natürlichen Gleichgewichtssinn zurückgreifen, um nicht zu stolpern oder auszurutschen auf den glitschig-grünen Steinen, die im Dunst der Schwedenlöcher den Pfad pflastern.

Die Schwedenlöcher, das sind die Höhlen und Formationen talabwärts in der Schlucht, in denen sich die Bewohner des Dorfes im Dreißigjährigen Krieg mit ihrem Vieh vor den plündernden Schweden versteckt haben. Hier herrscht Zwielicht, meine Kamera weigert sich zunehmend, rauschfreie Bilder zu liefern, und ich bin mir sicher, dass das nicht ausschließlich am schwindenden Tageslicht liegt…

Abschied

Es ist schon dunkel, als wir das mit Fackeln beleuchtete Gefährt des mittlerweile ausgetauschten Fährmanns, das sich bizarr im Wasser der Elbe widerspiegelt, mit dem leisen Versprechen auf den Lippen, bestimmt nicht zum letzten Mal hier gewesen zu sein, müde herbeiwinken.

Kraftort?

Das Elbsandsteingebirge ist in seiner Erscheinung einzigartig und es fällt mir schwer, die Stimmung zu beschreiben, die mich dort ergriffen und noch etliche Tage nach unserem Besuch hat euphorisch fühlen lassen. Es ist diese ganz subtile Art von Magie, die man manchmal spürt, wenn man sich draußen an einer ganz besonders schönen Landschaft erfreuen darf. Für mich fällt es daher auch unter den Begriff „Kraftort“.

Wenn ihr jetzt Lust bekommen habt, euch dieses schöne Fleckchen Erde einmal selbst anzusehen, dann wagt doch einen Besuch.

Mein Tipp: Nehmt euch mindestens einen ganzen Tag Zeit für euren Ausflug ins Gebirge. Wenn ihr mehrere Tage zur Verfügung habt, dann verbindet eure Wandertour doch auch noch mit einem Besuch im nahe gelegenen und absolut sehenswerten Dresden!

Quellen und weiterführende Links:

http://www.elbsandsteingebirge.de

https://www.saechsische-schweiz.de/region/highlights.html

https://www.kurort-rathen.de/de/bastei.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Felsenburg_Neurathen

Geschrieben von Anmara
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