Nur ein Eiskristall
Der Winter hat uns voll im Griff und die Wintersonnenwende ist gerade vorüber, der Zauber das die Tage wieder länger werden, hat von neuem begonnen. Dennoch genieße ich die Ruhe und das Knistern des eisigen Schnees unter meinen Füßen, wenn ich raus gehe. Ist doch ein Leben so schön und so vergänglich wie ein Eiskristall.
Heute schneit es wieder und der Himmel ist wolkenverhangen. Ich muss mich fertig machen, bald beginnt meine Schicht im Supermarkt und ich will vorher noch in der Buchhandlung meine Bestellung abholen. Ja klar ich bin ein Bücherwurm und gerade im Winter lese ich sehr viel. Brille auf, ein guter Gewürztee mit Milch, mein Ohrensessel, Stehlampe und dann im Warmen lesen, wenn draußen die Kälte neue Eisblumen formt. Gibt es etwas besseres? So ziehe ich Jacke, Schuhe, Schal, Mütze und Handschuhe an, greife meine Tasche und den Haustürschlüssel und laufe eilig los. Hetze durch die Straße und komme schließlich an der Buchhandlung an. Der Ort ist wie meine 2te Heimat. Ich betrete den Laden und bei der Übergabe meiner Bestellung schaut mir der alte Mann tief in die Augen und sagt: „Gute Frau nicht jeder Tag ist gleich und Bücher inspirieren uns, aber das wahre leben wartet draußen, fern ab aller Worte auf Papier.“ Beim gehen ruft er noch: „Halten sie heute ihre Augen offen, etwas wundervolles kann dann passieren!“
Ich eile zum Supermarkt und ziehe mich um, dann arbeite ich, während mir immer wieder die Worte des Mannes durch den Kopf gehen. Ich packe Ware in die Regale und bin irgendwie woanders mit den hunderten Gedanken, als ich hinter mir eine Hand auf meiner Schulter spüre und mich umdrehe. Es steht ein etwa gleichaltriger junger Mann mit einem dicken Kochbuch und Brille vor mir. Verzweifelt fragt er mich nach einigen Zutaten und als sich unsere Blicke treffen, erröten wir beide und lächeln uns verlegen an. Einige Minuten vergehen und dann zeige ich ihm alles was er sucht. Der Mann bedankt sich und fragt: „Sind sie öfter hier? Ich bin neu in der Stadt und möchte etwas schönes für Freunde kochen, zur Einweihung meiner Wohnung. Darum das Buch.“ Wir unterhalten uns ein paar Minuten noch und dann verschwindet er zu der Kasse. An den folgenden Tagen vergeht die Zeit auf der Arbeit wie im Flug und der Mann tauchte nicht wieder auf. Plötzlich kommt meine Kollegin, die sonst an der Kasse ist und gibt mir etwas: „ Ach Mensch ein Mann mit dickem Kochbuch hat mir diesen Zettel da gelassen, den sollte ich dir geben, ich hatte ihn in der Hosentasche vergessen. Plötzlich schlug mein Herz mir aus dem Hals, da war es wieder, dieses warme Gefühl. Auf dem Zettel ist eine gemalte Schneeflocke und eine Telefonnummer. Ich strahle über mein Gesicht. Am Abend setze ich mich in den Sessel und wähle die Nummer, dann reden wir stundenlang und verabreden uns. Ein paar Tage später treffen wir uns im Park und ich schenke ihm eine Schneeflocke aus Glas.
Eiskristalle hatten auf mich immer schon eine Anziehung. Sie sind perfekt geformt und vergänglich. Wir sollten auf die kleinen Dinge schauen, wie diese Schneeflocken, so vollkommen wie sie, können auch Momente und Begegnungen sein, aber auch unscheinbar in der Menge und vergänglich…. was bleibt ist ein warmes Gefühl und der Augenblick.