Produzieren statt konsumieren- ein Plädoyer für unsere heutige Zeit

Wir lieben den Konsum. Wahrscheinlich hat jeder etwas, worauf er ganz heiß ist, sobald er es sieht. Man wird ganz kribbelig und möchte es am liebsten jetzt gleich sofort haben. Früher war das nicht so. Die Menschen waren knauserig, haben jeden Pfennig oder Cent gespart, falls noch einmal schlechte Zeiten kommen. Früher nannte man es Sparsamkeit und war eine Tugend, heute heißt es Geiz. Selbst die Marktforschung hat festgestellt, dass Menschen heute ausgabefreudiger sind als früher und jede Sparte scheint sich mit Preisen zu unterbieten, denn obwohl Geiz ja verpönt ist, ist er laut Werbung ja „geil“. Ein Widerspruch, ausgeklügelt von Marketingstrategen, damit wir das Gefühl haben zu sparen während wir Geld ausgeben. Um es gleich vorweg zu sagen: Konsum muss nicht immer was schlechtes sein, manchmal tut es uns gut, wenn wir uns etwas gönnen, wonach wir uns lange sehnen. Es macht uns glücklich, wenn wir das Begehrte endlich in den Händen halten, Endorphine werden ausgeschüttet, manchmal sind wir sogar richtig erleichtert. Und ganz ehrlich, was nützt es uns hinterher der reichste Mensch auf dem Friedhof zu sein? Wir leben schließlich alle nur einmal. Aber ich habe erlebt, wie Konsum auch krankmachen kann. Shoppingsucht ist eine anerkannte Krankheit und kommt in der heutigen Zeit auch nicht selten vor. In meinem Umfeld gab es so einen Fall von großem Ausmaß als Folge einer anderen Erkrankung. Es wurde Kleidung gekauft, die hinterher ungetragen weggegeben wurde, teure Sachen, Schmuck, Kosmetikartikel, ganze Schränke voller Duschgele, Bodylotions mit denen man in Notzeiten eine ganze Straße hätten versorgen können. Wenn also eine Apokalypse gekommen wäre, hätte man mindestens für ein Jahr gut gerochen. Das Schlimmste aber war die Lebensmittelverschwendung. Drei Kühlschränke, ich betone DREI (davon ein deckenhoher Kühlschrank), ein großer Eisschrank, eine Riesentiefkühltruhe (der über 20-jährige Hauptstromfresser) immer zum bersten gefüllt, plus einen „ehemaligen“ Werkraum, der als Konservenlager umfunktioniert wurde. Und jeden Tag kam mehr dazu.

Nach langen Jahren (die mir irgendwie noch länger vorkamen) war ich ein gebranntes Kind, könnte man sagen. Ich reagiere bei Lebensmittelverschwendung geradezu allergisch, denn tatsächlich habe ich ein (wohlgemerkt leichtes) Beispiel davon Zuhause. Wenn Brot quasi 1 1/2 Tage alt ist, kann man es ja nicht mehr essen…zu blöd, dass noch 3/4 davon übrig sind. Es werden drei Pakete Wurst gekauft, mindestens eins wird weggeworfen…am besten sofort nach Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums. Aber ich bin mittlerweile gut im Überzeugen (brauchen wir das wirklich, reicht auch erst mal eine Packung, lass uns lieber noch was nachkaufen usw.).

Bei anderen Dingen ertappe ich mich selbst dabei, wo ich nicht besser bin. Ich bin nicht nur Hexe, ich bin auch Nerd…und spiele leidenschaftlich gerne PC Spiele. Wie einfach ist es, in Zeiten von Online-Plattformen mal eben ein Spiel zu kaufen, oh es ist gerade Sale (Oster-, Frühjahrs-, Weihnachts-, Herbst-, Sommer-, Jubiläums-, was- weiß- ich- nicht -sale) also dann doch eher so fünf bis zehn Spiele. Mittlerweile habe ich knapp über 200 Spiele allein auf einer Spieleplattform, dann kommt noch mindestens eine andere plus die Spiele, die ich noch physisch auf CD bzw. DVD habe. Und mal ehrlich, wie wahrscheinlich ist es, dass ich bis zum Lebensende alle durchspiele? Das gleiche mit Büchern, allerdings sind Bücher wohl meine größte Leidenschaft. Ich könnte eine Stadtteilbibliothek eröffnen und Ebooks sind für mich kein gleichwertiger Ersatz.

Ein aufgeräumter, aussortierter Bücherschrank

Aber der Platz wird natürlich immer weniger, gerade wenn man nur so ein kleines Hexenhäuschen hat. Dann habe ich zu meiner Spitzenzeit knapp sechs Zeitschriften abonniert, zwei davon mit ähnlichen Themen, die sogar teilweise wirklich gleich waren. Tatsächlich hatte ich aber in anderen Bereichen Abstriche dafür gemacht (und behalte es heute noch bei). So kaufe ich nur noch selten CDs. Ich habe ca. 5 ausgewählte Bands, von denen ich alle CDs kaufe, der Rest geschieht wirklich eher selten und sporadisch. Auch bei Kleidung neige ich dazu sie zu tragen, bis sie nur noch als Putzlappen taugen. Versteht mich nicht falsch, sie ist nicht kaputt, aber ich nutze die Kleidung gerne aus und neige eher dazu, zu wenig im Schrank zu haben als zu viel. Ebenso bei Schuhen. Ich habe nicht allzu viele Schuhe und einige sind echt durchgelatscht, aber seltsamerweise bin ich da geizig. Die Liste könnte ich mit den ein oder anderen Beispielen bestimmt noch weiter ausführen, aber ich möchte so langsam auf etwas anderes hinaus. Bei all den tollen Sachen und Annehmlichkeiten, die es heutzutage gibt, dürfen wir eines nicht aus den Augen verlieren: selber etwas zu machen. Statt den ganzen Tag zu konsumieren, sollten wir öfter etwas produzieren, dabei kann es ganz egal sein was. Viele von uns sind bereits kreativ, können wunderbar basteln, handarbeiten, malen, schreiben oder musizieren. Und genau so etwas brauchen wir heutzutage. Wir können nicht nur die Hand offen halten, wir können auch etwas erschaffen. Immer häufiger bemerke ich, dass ich weniger Zeit am PC verbringe, ich lese meine über die Jahre angesammelten Bücher oder benutze meine fast angestaubten Pinsel und Farben. Ich verzichte manchmal tagelang auf den Konsum und erschaffe…erst still und heimlich, dann zeige ich, was ich erschaffen habe. Vielleicht um dann Reaktionen zu konsumieren, Lob, Kritik vielleicht auch manchmal ein wenig Anerkennung um wieder die gleiche Euphorie zu erleben, wie bei einem neuen Paket, das doch mal den Weg in mein Heim findet.

Viele Zeitschriften habe ich mittlerweile gekündigt. Aktuell beziehe ich tatsächlich noch zwei, die anderen lese ich jetzt konsequent durch, denn viele fanden einfach den Weg vom Briefkasten in den Schrank. Letztens habe ich meinen Kleiderschrank grundlegend ausgemistet (zu klein, zu viele Katzenlöcher), denn ich hatte von einer lieben Freundin eine großzügige Spende bekommen, da war es an der Zeit loszulassen. Und ja, ich habe auch Bücher gehen lassen und gebe sie zu einem Mitnehmregal. Und ich fühle mich gut dabei, ich bin definitiv kein Fan von Minimalismus oder dem Marie Kondo Hype. Muss ich aber auch nicht, denn ich mag meine Besitztümer und solange ich ab und zu welche in die Freiheit entsende und mich dabei gut fühle ist es auch vollkommen in Ordnung. Vielleicht gibt es auch etwas in eurem Leben, was ihr erschaffen wollt? Ihr wolltet schon immer mal malen? Sucht nach günstigen VHS-Kursen um zu schnuppern. Ihr braucht kein teures Material anzuschaffen, wenn ihr es nur sporadisch macht. Vielleicht möchtet ihr Handarbeit lernen? Unzählige tolle Videos zeigen euch, wie es geht (so kann man Konsum und Produktion wunderbar verbinden). Und es ist hinterher auch nicht schlimm über diese Dinge zu berichten oder sie zu zeigen. Ja, im Internet und auf vielen Plattformen wird man heutzutage überschwemmt von einer Bilder- und Videoflut. Auch Lob und Kritik sind häufig ein zweischneidiges Schwert, dennoch hätte ich viele Künstler, Bands oder private Kreative/ Kleingewerbe nicht entdeckt, wenn ich nicht auf solchen Plattformen unterwegs wäre. Es gilt also: nicht immer nur die Negativseiten zu betadeln, sondern auch die Möglichkeiten zu entdecken…und manchmal auch zu konsumieren.

Nichts kann so inspirierend sein, wie eine leere Leinwand
Sunrayravyn
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One thought on “Produzieren statt konsumieren- ein Plädoyer für unsere heutige Zeit

  • Als du von dem Glücksgefühl gesprochen hast, was wir auch beim Kauf von Dingen empfinden, musste ich an meine Sofakissen denken. Ich nähe noch nicht lange und bis zu diesem Zeitpunkt habe ich nur Gardinen umgenäht. Diesmal hatte ich aber aus den Resten der Wohnzimmergardinen Kissenbezüge für die Sofakissen genäht. Die passen dann auch noch perfekt zur Gardine. Sie sind ganz schlicht mit Hotelverschluss. Ich hab die Maße abgesteckt und alles genäht und dann die Füllung rein getan. Und in diesem Moment kam dieses Glücksgefühl. „Oh maaaaan, das habe ich gerade gemacht!!“ =) Das Gefühl ist viel schöner als ein Paket von einer Bestellung zu bekommen.
    Danke für deine Worte.

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